GERALD NESTLER

 

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 — n o w h e r e  ein welt raum spiel 3D gamemod

8. April - 7. Mai 2006
3. März - 22. April 2006
20. Okt. - 20. Nov. 2005

  Beijing Cubic Art Center / 11.ART.COM, Peking /CN
  Architekturzentrum Innsbruck / A
  Heiligen Kreuzerhöfe, Wien / A

Sylvia Eckermann: GameArt, Konzept >
Gerald Nestler: Konzept, Research
Oliver Irschitz: Produktion, Interface Design >
Christof Cargnelli: Klangarchitektur, Komposition >

 

 

voice over     Frédéric Lion, Marcin Glowacki
additional programming
   
Alois Kozar
commissioned by    

thecrystalweb° >

text / images: downloads >

Installation view Beijing Cubic Art Center >


screenshots: n o w h e r e

Eine Beschreibung

Ich behandle die Propositionen von Wittgenstein mehr so wie Axiome. Wenn ich das Axiom "Wir machen uns ein Bild der Welt" verneine und sage, "Wir machen uns eine Welt von einem Bild", dann erzeuge ich den gesamten Konstruktivismus. Heinz von Foerster*

Sylvia Eckermann: n o w h e r e - ein welt raum spiel

n o w h e r e ist ein GameMod, eine Modifizierung des Egoshooters Unreal in dem sich der Spieler im virtuellen, dreidimensionalen Raum frei in jeder Richtung bewegen kann. Architektur, Klänge, gesprochener Text und Bilder unterstützen die immersive Wirkung dieses Mediums. Der freie Flug durch Raum und Zeit als Metapher gewählt, reflektiert die Gedankenwelt der Architektengruppe, die sich im Briefwechsel Die Gläsernen Kette (gegründet von Bruno Taut im Dezember 1919) zum Ideenaustausch traf.

Die reine Abbildung war nicht das Ziel unserer Arbeit, auch nicht die Umsetzung der Zweidimensionalität der Skizzen, Entwürfe und Zeichnungen in die dritte Dimension, sondern die Verführung des Betrachters in eine "Traumwelt" utopischer Ideen und deren Simulation.

So wird Wenzel Habliks Weltraumentwurf Sternenhimmel (1913) in n o w h e r e zu einem mal konkav, mal konvex gekrümmt erscheinenden und in sich bewegten und dichten Weltenkosmos in einem unbekannten System mit Trabanten, Sonnen, Sternenansammlungen, Flugmaschinen und Luftkolonien. Manche diese Himmelskörper werden durch Annäherung zu lesbaren Textfragmenten, entnommen aus Paul Scheerbarts Die Glasarchitektur, ein Werk des 1915 verstorbenen Literaten, das die Proponenten Der Gläsernen Kette sehr beeinflusst hatte. "Paradieskäfer, Lichtfische, Orchideen, Muscheln, Perlen, Brillanten usw.. - alles das zusammen ist das Herrlichste auf der Erdoberfläche - und das finden wir alles in der Glasarchitektur wieder. Sie ist das Höchste - ein Kulturgipfel" (Glasarchitektur, 1914).

Ein Planeten-Cluster beamt den Besucher als navigierenden Kosmonauten in die von uns zitierte, in allen Farben leuchtende zeitgenössische Architektur. "Glück ohne Glas - wie dumm ist das!" "Was wäre die Konstruktion ohne Eisenbeton?" diese wie Werbetexte ebenfalls von Paul Scheerbart formulierten Sätze, durchdringen die bewusst fragmentierten Architekturausschnitte, die wie Blendenflecken erscheinen und wieder ausblenden.

Wie in allen Teilen der Arbeit n o w h e r e wird man auch hier einen Kristall entdecken können, in dessen Facettierungen sich der Kosmos in seiner Gesamtheit spiegelt. Dieser Kristall fungiert einem Wurmloch gleich als Übergang - als Verlinkung zum Ausgangspunkt.

Der Kristall, eine wichtige Form, auf die sich nicht nur unsere Protagonisten bezogen, von Licht durchdrungen, Außen und Innen vereinend, gleichzeitig Form und Geist, ein anorganischer Stoff wachsend ähnlich einem biologischen Organismus, ist in n o w h e r e durchdringbar - ein Verhältnis wechselseitiger Übertragungen und Durchdringungen der Form ebenso wie der Bedeutung. Und - als wäre man im Inneren seines facettenreichen Makrokosmos - werden die Polygone, die das Innen beschreiben, zu einem immersiven Kaleidoskop.

Wenzel Hablik, Bruno Taut, Wassili Luckhardt, Hermann Finstlerlin, Hans Scharoun und weiteren Proponenten ist jeweils eine bestimmte kristalline Form zugeordnet. Einer Kette gleich, reiht sich auf unsichtbarem Fanden Glied an Glied. Sie scheinen wie eingeschlossen in dieser Form, die ihnen so wichtig erschien - wie das Insekt gefangen im zu Stein gewordenen Harz. Dort wo sie wie Einschlüsse im Licht der Sterne funkeln, befinden sich weitere Verknüpfungen und unsichtbar Portale.

So gelangt man zum Beispiel in einen prismatisch leuchtender Zylinder, in dem sich Bergpanoramen durch Nebel drehen. Dieser Ort ist Bruno Tauts Alpiner Architektur (1917-1918) gewidmet, dem Wortführer der Architektenvereinigung Die Gläserene Kette. Seine Zeichnungen werden in den Gebirgsketten real - Kristallnester zieren die Gletscherspalten, Chrysokoll, Amethyst und Bismuth ragen konkurrenzierend mit den Berggipfeln wie futuristischen Bauten empor. Auch hier führt der bereits erwähnte Kristall wieder zurück zum Kosmos.

Nicht von der Weite des Sternenhimmels, sondern von der Geschlossenheit des Festungsbaus erzählt der Wassilli Luckhardt gewidmete Bereich. Seine Kultbauentwürfe (um 1920) sind Außenansichten kristallin geformter Glasarchitektur die in der virtuellen Architektur n o w h e r e zu einer möglichen Innenansicht interpretiert werden.

Das Funkeln um den Kristall Wenzel Habliks ist der Übergang zu seinen Schaffenden Kräften. Ein Radierzyklus (1912), der vom Entstehen und Werden des Kristalls, von Geburt, Werden und Tod erzählt.

Dies und vieles andere wird der Kosmonaut - der Besucher - in n o w h e r e entdecken können, wenn er auf seiner frei gewählten Bahn durch den Kosmos der Gläsernen Kette fliegt.

Besuchen Sie Utopia und starten Sie in n o w h e r e ! Syl.Eckermann


* Heinz von Foerster, in: Teil der Welt, im Text "Zweiter Akt: 'Ich bin Teil der Welt'", Seite 115, 2002


          screenshots: n o w h e r e